Karl May und Jalala vom 26./ 27.06.2004

Von Tadmur gen Osten immer Richtung Irak, dann links und schon ist das Gefährt nach einem heißen Tag, hunderten Kilometern durch die Wüste und dem Passieren wenig einladender Siedlungen in Kashmili. Der Grenzort zur Türkei besticht durch quirliges Leben und einen leicht zu übersehenden Grenzübergang, der täglich leider nur von 9 bis 15 Uhr geöffnet hat. Die Reiseplanung wird umgeworfen, ein Hotel gesucht, wieder mal syrisch geschlemmt und früh zu Bett gegangen. Dabei hilft die nächtliche Ausgangssperre, wir sind im Kurdengebiet.

Am kommenden Morgen lernt unser Freund Höfel syrische Medizinkunst kennen. Eine Zerrung im Leistenbereich hatte ihn schon in den vergangenen Tagen der Mobilität nahezu beraubt, der Arzt des örtlichen Krankenhauses behebt den Schaden mittels schmerzhafter Beindrehungen und einer Spritze. Nunmehr als Truppe wieder gesundet, absolvieren wir bei brütender Hitze die schon obligatorisch gewordenen zwei Stunden Wartezeit am Grenzübergang. Die Beamten entspannen sich im Schatten der einzigen Bäume weit und breit von etwa drei bis vier passierwilligen Fahrzeugen pro Stunde. Zusätzliche Zahlungen für Veterinärmaßnahmen oder ähnlich fragwürdige Gebühren gehen uns ohne Aufmucken schon gut von der Hand.

Auf der anderen Seite empfängt uns ein LKW-Aufkommen, wie es selbst auf amerikanischen Truckertreffen nicht anzutreffen ist. Die Palette reicht dabei von nagelneu bis hin zu an der Straße zu hunderten vor sich hin rostend. Uns ist es nicht gelungen, den wahren Grund für diese Transportfahrzeug-Konzentration zu ermitteln, wer mehr weiß, informiere mich bitte unter gr@w80.de.

Und dann tauchen wir in Kurdistan ein. Das hat nichts mehr mit der romantischen Wildheit Karl Mays zu tun, sondern ist aufgrund der jahrzehntelangen Kämpfe zwischen Separatisten und türkischen Einheiten ein kompliziertes Pflaster. Reiseführer raten Touristen immer noch von der Durchreise ab. Dabei sollte die überwältigende Berglandschaft eigentlich für einen wahren Ansturm von Naturfreunden und Klettersportlern sorgen.

Wir wählen die Fernstraße über Simak nach Hakkari. Mit erheblichen Steigungen windet sie sich durchs Gebirge, unser Gefährt müht sich schwer und bringt uns bis auf eine Höhe von 2500 Metern. Dabei scheint es sich etwas übernommen zu haben, die Motorleistung nimmt von Kilometer zu Kilometer beängstigend ab. Maschine diagnostiziert ein Problem an der Dieselzufuhr, das sich aber nicht lokalisieren lässt. Die Aussicht, die Nacht in diesem nicht besonders sicheren und nachts sehr kalten Gebiet verbringen zu müssen, drückt auf die Stimmung. Das scheint unser Freund zu spüren, und rafft sich zwischendurch immer mal wieder zu voller Leistung auf, uff.

Mit der Annäherung an die irakische Grenze, die von einem kleinen Flüsschen markiert wird, beginnen die Armeekontrollen. Am Wegesrand sind in regelmäßigen Abständen Schützenpanzerwagen eingegraben, hinter Sandsackwällen halten MG- Schützen ihr Rohre in den Himmel. Die Soldaten an den Kontrollposten sind blutjung, freundlich und lachen viel. Sobald wir uns als Deutsche geoutet haben, findet sich meistens einer, der in Deutschland gelebt hat oder zumindestens jemanden kennt, der wieder jemanden kennt ... Unser Kennzeichen J-LL wird hier zu Jalala, eine gute phonetische Beschreibung der Höhen und Tiefen des heutigen Tages.

An jedem Posten, wir passieren auf unserem Weg etwa zehn davon, werden unsere Pässe eingesammelt und akribisch aufgeschrieben. Das dauert, in der Zwischenzeit machen wir mit den Uniformierten in Konversation, Zigaretten werden ausgetauscht. Kommentar eines Soldaten: „Nehmt ruhig die ganze Schachtel, ist eh Schmuggel-Ware“.

Gegen 22.30 Uhr erreichen wir Hakkari, das als PKK- und Schmugglerhochburg gilt. In dem 50.000 Einwohner zählenden Ort gibt es zwei Hotels, nächtliche Ausgangssperre und sogar ein Internet-Cafe. Von den Hotels beziehen wir das bessere, trotz Ausgangssperre gibt’s noch Suppe und Bier und im Internet-Cafe können noch Bilder abgesetzt werden. Damit findet der bisher emotionalste Tag unserer Reise sein Ende.

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